Meine Überlegung war immer, dass ich alleine bin und mich deshalb nichts aufhalten kann – und solange ich meine Arbeit genieße ist es ja positiver Stress und das kann nicht schaden, oder? Nun ja, Höhen und Tiefen liegen bekannterweise ganz dicht beieinander. Und je höher man schwebt desto tiefer kommt der Absturz – ganz besonders, wenn man nicht erkennt, wie hoch man eigentlich fliegt.

17 Stunden Arbeit sind total okay – nach dem Wecker gleich einen Blick auf’s Handy und abends mit dem Laptop vorm Fernseher – alles kein Problem, die 17 war schon immer meine Glückszahl.

Um 06:50 beginnt die Morgenmeeting, in der Pause das Auto umparken damit ich gleich nach Schulschluss zur Uni flitzen kann, von der Uni durch den Stoßverkehr zum Abendkurs, und am Wochenende mein Onlinegeschäft. Ganz nebenbei Unterrichtsvorbereitung, die wöchentlichen Teste nachsehen, Klassenarbeiten und Examina entwerfen, für meine Module an der Uni Präsentationen und Hausarbeiten machen (mit 55 ein ‚post-grad‘ Studium anfangen ist nichts für Angsthasen) und die Ferienwohnung verwalten, mit Saubermachen, Gästeempfang, Buchhaltung organisieren und über allem schweben jede Woche mehrere ‘deadlines‘.

Dann kam der Morgen, als mir beim Autoschlüssel-Umdrehen schlecht wurde und ich beim besten Willen nicht zur Schule fahren konnte. Am nächsten Morgen wieder… und jetzt war klar, dass ich Hilfe brauchte. Mit meinem straff durchorganisierten Tagesablauf war das gar nicht so einfach. Und meine Ungeduld in den Griff zu bekommen, war genauso schwierig, denn ich wollte schnelle Ergebnisse. Aufgeben ist für mich keine Option, und Zeit zum Schlappmachen hatte ich auch nicht!

Monate danach machte die Chefin über jemanden anderen in der Morningmeeting eine sehr unfaire  Bemerkung und mir fielen wieder die Worte meiner Mutter ein: ‚wenn du nicht nach dir selbst schaust, wird es niemand tun!‘  Deshalb habe ich am nächsten Tag meine Kündigung eingereicht, mitten im Schuljahr. Alle Versuche, meinen Platz neu zu definieren und Grenzen abzustecken waren fehlgeschlagen. Ich hatte vor dem Spiegel ‚Nein‘-sagen geübt, eine ganze Liste von plausiblen Ausweichtaktiken auswendig gelernt, die Wochenenden mit Freunden und Familie durchdiskutiert.

An meinem letzten Schultag haben die Kinder mir einen großartigen Abschied gegeben, ich habe noch nie in meinem Leben so viel selbstgebackenen Schokoladenkuchen, Kekse und Chips gegessen!

Und jetzt? Eigentlich wollte ich bis zum Ende des Jahres nur meine Kurse an der Uni erfolgreich zuende bringen, die Abendkurse leiten und einfach nur zu Hause bleiben.

Das erschien mir aber doch etwas zu ruhig. Jetzt bin ich super-glücklich in einer Halbtags-Position in der Tourismus-Industrie, ich schlafe länger, habe etwas zugenommen und ich hatte sogar den Mut, ein Fach an der Uni fallen zu lassen.

Meine Ambitionen haben mir viele Türen in unbekannte Gebiete geöffnet und durch meine Kinder habe ich die interessantesten Leute aus aller Welt kennengelernt. Hoffentlich hört das nie auf! Andererseits war ich aber grenzenlos am ‚funktionieren‘, innerlich und äußerlich.

Die größte Lektion, die ich dieses Jahr gelernt habe war, auch mal einen Gefallen nicht zu tun. Mal eine Bitte abzulehnen. Mal zu sagen – oh, das passt mir gerade nicht. Und insgesamt einfach einen Gang runterzuschalten. Gelegentlich eine Freundin zum Kaffee treffen, mir mal Zeit zum Faulenzen zu nehmen, und – ich musste das zwar üben, aber – es kommt tatsächlich vor, dass ich den ganzen Tag vertrödle! So genial! Grenzen überwinden macht frei. Ich kann’s empfehlen!