Während ich um halb 6 bei 27° auf der Terrasse meinen ersten Kaffee für den Tag trinke, wird mir doch ein wenig mulmig. Ich habe in den letzten 3 Wochen so hart wie schon lange nicht mehr gearbeitet. Alle Schränke ausgemistet, meinen gesamten Haushalt verpackt und eingelagert, und sogar alle erdenklichen Dokumente eingescannt.

Jetzt bewundere ich die pink gefärbten Wölkchen an einem hellblauen Himmel, der schon in wenigen Stunden so tiefblau sein wird, wie nur hier in Afrika. Die Insekten summen schon in den Bäumen noch bevor das erste Vogelzwitschern zu hören ist, und der kleine Kater kommt von seinen nächtlichen Abenteuern nach Hause und marschiert erstmal an den Fressnapf.
Heile Welt in meiner Heimat. Frieden. Hier habe ich meine Wurzeln, große Teile meiner Familie, Haus und Tiere, ich habe viele Freunde und kann mit verbundenen Augen im Supermarkt aus 4 Sorten Butter meine Lieblingsmarke aussuchen. Wir haben Strom, Wasser, Internet, alles, was das Herz begehrt.

Trotzdem ist es nach 15 Jahren in Namibia wieder soweit und ich muss einfach mal ‘raus.

RucksackUnd deshalb wird es mir ein wenig mulmig ums Herz. Denn dieses Mal ziehe ich nicht mit meinem gesamten Haushalt um, sondern nur mit zwei Koffern, einem Rucksack und einem Flugticket. Also ohne Netz und doppelten Boden. So, wie meine Kinder das vor über 12 Jahren gemacht haben, als sie zum Studium und für ‚ein gap-year‘ ins Ausland gereist sind. Einige meiner vielen Fragen sind – bin ich nicht langsam zu alt dafür? Bin ich neugierig genug auf die Welt, dass ich tolerant und flexibel sein kann? Ob ich mich für neue Erlebnisse und Freundschaften öffnen kann? Wirklich? Und habe ich tatsächlich die Energie, wie schon hundertmal geplant, mit neuen Sprachen anzufangen?

Meine Kinder sind natürlich längst erwachsen. Und sie fühlen sich im Ausland wohl. Sie sind über etliche Stationen, wo sie jeweils mehrere Jahre waren, noch immer ‚auf Wanderschaft‘, jedenfalls der Ältere. Er ist zwar seit fast 5 Jahren bei derselben Firma angestellt, darf aber ‚remote‘ arbeiten und kann deshalb mit seiner Frau, die alle paar Jahre zu einem anderen Entwicklungshilfeprojekt entsendet wird, von Land zu Land ziehen. Der Jüngere hat ebenfalls mehrmals für längere Zeit am selben Ort gewohnt, ist aber nun doch schon seit über 6 Jahren in England.

Ich frage mich, wie man als ‚Nomade‘ glücklich sein kann? Ob Nomaden überhaupt an einem Ort wohnen und glücklich sein können, oder ob der Schmerz des Abschiednehmens dazu gehört wie bei ‚Sesshaften‘ vielleicht der Ärger mit dem Nachbarn und die übliche Schwarzwälder Kirschtorte zu Omas 85. Geburtstag? Fernweh und Heimweh überschneiden sich in meinem kleinen Herzchen…

Ganz so vogelfrei wie die Kinder damals bin ich aber nicht, wenn ich ganz ehrlich bin. Wie gesagt, der Haushalt ist zwar eingelagert, aber es gibt ihn. Es gibt auch mein Haus noch, selbst wenn’s jetzt erstmal vermietet ist. Meine Haustiere leben bei meinen Verwandten und wenn sie noch leben, bekomme ich sie irgendwann zurück. Die Tiere natürlich und auch die Verwandten! Und dadurch habe ich noch ein ‚Hintertürchen‘ offen, zurück nach Hause… falls mir die bunte Welt da draußen dann doch zu viel wird.

Ich bin mal gespannt, wie lange es noch dauert, bis für Nomaden wie mich und meinen Älteren die Angabe der E-Mail-Adresse ausreicht. Wenn’s nach meiner Bank geht, mit der ich mich seit 4 Monaten kloppe, weil die sich einfach weigern meine neue PIN ins Ausland zu versenden, dann dauert es noch viele, viele Jahre. Schade eigentlich, denn meine Familie ist nicht die einzige mit Nomaden. Es ist schon längst keine Seltenheit mehr, dass man ‚online‘ Geld verdient und damit geografisch ungebunden ist.

Ich schau nochmal auf die Mail mit meinem Flugticket, ja – es ist heute Abend! Und ja – ich kann zwei Koffer mitnehmen.

Liebste Heimat, ich komme irgendwann zurück. Liebe Welt, lass das Abenteuer beginnen!